Allgemeine Informationen

Über Trauerbewältigung

Trauer ist die dunkle Rückseite der Liebe: Je mehr wir an einem Menschen hängen, desto mehr leiden wir unter dem Verlust. Dies macht die frühen Verluste für die Eltern so besonders: Die Heftigkeit des Schmerzes überrascht sie selbst, weil wir doch irgendwie davon ausgehen, dass die Zeit mit dem Kind nur so kurz war. Das verstehen sie selbst oft nicht und von außen kommt noch weniger Verständnis. Der Schmerz ist so groß – und sie können ihn mit kaum einer anderen Person teilen. Selbst der Vater, so sehr er sich auch auf das Kind gefreut hat, hat nicht die intensive körperliche Verbundenheit wie die Mutter gespürt, die ja auch eine seelische ist.

Die mütterliche Trauer enthält, genau betrachtet, immer beides: den Schmerz, diesen einmaligen Menschen hergeben zu müssen, dessen Leben man nun nicht mehr begleiten kann, und die große Enttäuschung, dass das hoffnungsvoll begonnene Verhaltensprogramm Muttersein ins Leere läuft. Der Bauch ist leer, und die Arme sind es auch. Vielleicht fließt noch Milch, die dem Baby nicht mehr zugutekommen kann. Oft werden noch lange nach dem Verlust Kindsbewegungen im Bauch wahrgenommen ... 

Die körperliche Heilung braucht Zeit und aktive Aufmerksamkeit, auch dem enttäuschten Mutterleib etwas Gutes zu tun, z. B. durch:

· Wärme, z. B. Vollbäder, Sauna, Thermalbad
· Bewegung, vor allem häufige Spaziergänge im Freien, daneben alles, was uns als Sportart gefällt, 
  z. B. Gymnastik, Schwimmen, Sportstudio mit den diversen Kursangeboten, meditatives Tanzen
· Massagen und Physiotherapie
· Entspannungsverfahren wie Yoga, Meditation, Autogenes Training
· Besuch bei der Kosmetikerin oder im Frisiersalon

Für viele trauernde Eltern, auch und gerade für die Väter, wird körperliche Betätigung zu einem Rettungsanker, um den Schmerz überhaupt ertragen zu können. „Du läufst vor deiner Trauer davon“ wird ihnen dann vielleicht vorgehalten. Aber Trauer löst eine auch körperlich deutlich spürbare Stressreaktion aus (Brustbeklemmung, Herzrasen, Magen- oder Darmbeschwerden, Schmerzen im ganzen Körper), und der Sport kann dann etwas Erleichterung verschaffen.

Je mehr die körperliche Erholung voranschreitet, desto stärker wird die eigentliche Trauer um diesen einen Menschen spürbar. Hier ist der wichtigste Gedanke: Je bewusster und aktiver die Sterbe- und / oder Abschiedssituation erlebt worden ist, je mehr Schritte die Eltern selbst gegangen sind, desto eher ist die Trauer fassbar und damit zu bewältigen.
Dies war (und ist teilweise leider immer noch) der Irrtum, dass das „Wegschaffen und Entsorgen“ des toten Kindes schonender für die Eltern sei.
Das tote Kind noch einmal im Arm zu halten und sich von ihm zu verabschieden, es taufen oder einsegnen zu lassen, auch andere Familienangehörige dazu zu holen, ein persönliches Begräbnis durchzuführen, Erinnerungsgegenstände wie Hand- und Fußabdruck oder eine Haarsträhne aufzubewahren, Fotos zu machen – dies alles sind hilfreiche, wenn auch in diesem Augenblick sehr schmerzhafte Schritte. Wohlgemerkt: Wenn Eltern sich überfordert fühlen von der Situation, ist es ihr gutes Recht, die Versorgung ihres Babys den Profis zu überlassen. Auch sind alle Abstufungen des Umgangs denkbar, z.B. dass die Eltern das Kind nicht mehr anschauen wollen, aber doch gern ein individuelles Grab haben wollen.

Aufgabe der Profis ist es, die Eltern behutsam über alle Möglichkeiten zu informieren und ihnen auch Zeit einzuräumen, sich zu besinnen. 

Nach der Hektik und den Belastungen der ersten Tage sickert die Trauer erst richtig ins Bewusstsein ein. Wie Frauen und Männer damit umgehen, ist individuell sehr verschieden. Ganz allgemein kann man einen eher emotionsbetonten Weg von einem handlungsbetonten Weg unterscheiden.
Im ersten Fall wird der seelische Schmerz bewusst durchlebt und durchlitten, es wird das Gespräch mit anderen gesucht, Tränen fließen – die dahinter stehende Idee ist, dass die Bewältigung durch die emotionale Auseinandersetzung vorankommt: Der einzige Weg aus der Trauer ist der durch die Trauer. Dies ist handlungsorientierten Menschen kaum möglich. Sie sagen vielmehr: Darüber zu sprechen hilft mir nicht. Es macht den Verlust nicht ungeschehen.
Der Tod des Babys ist, so gesehen, ein unlösbares Problem. Solche Personen können die Trauer eher in einer aktiven Form bewältigen. Auch dabei werden intensive Gefühle erlebt, aber man fühlt sich dem Schmerz nicht so hilflos ausgeliefert.

Die Aktivitäten, die der Trauer entspringen, sind so vielfältig, dass nur einige Beispiele gegeben werden können:

· Anfertigung der Babykleidung für die Bestattung
· Schreinern des kleinen Sarges
· Schaffung eines Erinnerungsalbums
· Anlegen einer Erinnerungshomepage
· Pflanzen eines Baumes
· Entwerfen des Grabsteins
· Engagement für andere Betroffene, z. B. in Gesprächskreisen oder Einzelbetreuung
  nach einer angemessenen eigenen Trauerzeit
· Gesellschaftliches und politisches Engagement zu Verbesserung der Lage von trauernden Eltern

WICHTIG: Es gibt keine verbindlichen Richtlinien, wie gute oder richtige Trauer auszusehen hat. Jede und jeder muss den eigenen Trauerweg finden und gehen. Keineswegs gibt es dabei eine strikte Trennung nach Geschlechtern (Frauen weinen, Männer nicht). Wesentlich für die Paarbeziehung ist, dem anderen seine eigene Art des Trauerns zuzugestehen. Gemeinsam trauern ist ein schönes Ideal; die Realität ist eher, dass jeder individuell trauert und es allein schon gut tut, wenn man es schafft, sich gegenseitig darin zu akzeptieren. 

Trauer ist, wie am Anfang festgestellt, ein normaler Bestandteil unseres Lebens. Nicht jede trauernde Person braucht therapeutische Unterstützung. Diese ist dann angeraten, wenn

· die Umstände des Todes besonders traumatisch sind
· die Trauer stagniert und auch nach Monaten keine Entwicklung oder Veränderung zu erkennen ist
· die Trauer in eine Depression übergeht, zusätzlich zur traurigen Stimmung Antriebs- und Hoffnungslosigkeit
  vorherrschen, dazu Gedanken der eigenen Wertlosigkeit, des Versagens
· konkrete Suizidgedanken bestehen

Die Dauer des Trauerprozesses wird gerade beim Tod von Kindern im Mutterleib und um die Geburt von Außenstehenden grotesk unterschätzt. Lassen Sie sich die Zeit, die Sie benötigen. Bedeutsame Daten wie der errechnete Geburtstermin, der Jahrestag der Geburt oder des Todes führen immer zu einer intensiveren Trauer. Dies ist kein Rückfall, sondern eine normale emotionale Reaktion.

Die Trauer um das einzigartige Kind, das man verloren hat, wird immer ein Teil des Lebens sein. Abschließen lässt sie sich nicht. Doch wird im Laufe der Zeit der Schmerz seine Schärfe verlieren. Sie dürfen darauf hoffen, dass Sie sich wieder dem Leben zuwenden und Freude und Glück empfinden können, vielleicht auch durch die Geburt eines lebenden Geschwisterkindes. Die Trauer ist dann ins Leben integriert, wenn die Erinnerung an unsere Verstorbenen und die Zuwendung zu den Lebenden, die wir lieben, im Gleichgewicht sind.